Lektion 34
Lektion XXXIV:
Text 1 : Symmachus grüsst Ausonius
Du willst einen längeren Brief von mir erhalten, Ausonius. Dies ist si-cher ein Anzeichen wahrer Freundschaft unter uns. Aber ich will lie-ber kurz antworten, weil ich mir meines Talentes und meiner armen Redekunst bewusst bin. Es ist nicht erstaunlich, denn es geschieht durch deine Schuld, wenn meine Beredsamkeit nicht gestärkt ist. Schon lange wolltest du mich nämlich durch irgendeines deiner Wer-ke erfreuen. Dein Buch "Mosella", das du durch göttliche Verse ge-schaffen hast, fliegt nun durch Hand und Geist vieler Menschen Zu mir jedoch wollte es nicht fliegen.
Warum wolltest du mich an diesem Buch nicht teilhaben lassen. Das ist jedenfalls eine Ungerechtigkeit. Entweder schien ich dir zu wenig gebildet zu sein, dass ich es nicht beurteilen könnte, oder gewiss boshaft, dass ich es nicht loben wolle. Aber ich habe gute Sitten, dass ich lieber verschweigen will, was ich meine.
Ich gelangte dennoch zu dem Geheimnis jenes deines Werkes und verzeihe dir. Die Bewunderung für Mosella beseitigt das Gefühl von Ungerechtigkeit.
Ich würde dir nicht glauben, wenn du so grosses und schönes über die Mosel erzählst, wenn ich nicht wüsste, dass du niemals, nicht einmal in deinen Gedichten, lügst.
Ich füge dein Gedicht den Büchern der berühmtesten Dichter hinzu.
Leb wohl!
Text 2 : Ausonius grüsst Symmachus
Wenn du mir doch verzeihen würdest, Liebster Symmachus, dass ich dir mein Buch Mosella noch nicht geschickt habe! Verurteile den be-freundeten Dichter nicht wegen dieser Verzögerung! Denn der Dich-ter, weil er ja will, dass sein Werk möglichst gut ist, ist gewohnt, die noch nicht vollendeten Geschichten zurück zu halten und sie nicht einmal den besten Freunden zu schicken, damit sie gelesen, beurteilt und gelobt werden. Oder willst du lieber, dass ich schlechte und lä-cherliche Verse verfasse, als gut zusammengestellte.
Nun jedoch fliegt die Mosella ohne Verzögerung in deine Hände: Mei-ne Verse wollen von dir gelesen, beurteilt und gelobt werden.
Lebe wohl!
Text 3 : Aus der MOSELLA des Ausonius